Der aus zwei gleichseitigen Dreiecken gebildete Davidstern hat als schwarz-gelber Judenstern in der Symbolgeschichte Europas tragische Bedeutung erlangt. Verfolgen wir zunächst die Wurzeln der reinen geometrischen Form. Das Hexagramm, der sechszackige Stern, manchmal auch als “Zionsstern“ bezeichnet, kommt im Judentum und im Christentum, ja sogar im Islam vor. Seine geometrische Urform liegt auch dem hinduistischen Meditationszeichen „Yantra“, einem Symbol für die göttliche Kraft, zugrunde.
Das Hexagramm wird aus dem männlich („feurigen“) Dreieck (Spitze
nach oben) und dem weiblichen („wässrigen“) Dreieck (Spitze nach
unten) gebildet, um so ein harmonisches Dualsystem zu formen.
Ursprünglich als „Schild
Davids“ („Magen David“) oder „Siegel Salomons“ bezeichnet, wurde
das Hexagramm insbesondere im jüdischen und arabischen Kulturkreis als Siegelabdruck zur
Vertreibung böser Geister und Dämonen verwendet. König Salomo soll es bis zu
seinem Tod (ca. 930 v. Chr.) verwendet haben, um Dämonen zu beschwören und
Engel herbeizurufen.
Ein Besuch in der Al-Aqsa-Moschee am Tempelberg in Jerusalem zeigt die Verwendung des ornamentalen Hexagramms im Bereich des Islam:
Ornament an der Treppe zur Kanzel (Minbar) | Fenster neben dem Eingangstor |
In den staatlichen Emblemen der britischen Kolonie Nigeria (1861-1960) kam das Hexagramm bis in die
jüngste Zeit vor, angeblich weil sich dieses Muster auf einem von den Briten erbeuteten Messingkrug befand.
Flagge von Britisch Nigeria | Pennymünze Nigeria 1959 | Innungsemblem
der Gastwirte im Alten Rathaus in Wien (1853) |
In der mittelalterlichen Alchemie stellt das Hexagramm die Vereinigung aller Gegensätze
dar, da es die Zeichen für die vier alten Elemente Wasser, Erde, Feuer und Luft in
sich trägt. Die Durchdringung der beiden Dreiecke symbolisiert die
Verschmelzung der sichtbaren mit der unsichtbaren Welt, die Vereinigung von
„oben“ und „unten“.
Im Zusammenhang mit der Bierbrauerei stand neben dem grundlegenden Element Wasser die Erde für das Gerstenmalz, das Feuer für die Pfanne im Sudhaus und die Luft für den "Geist" des Bieres - die Kohlensäure. Aus dem Synonym für mittelalterliches Brauen wurde dann das Privileg, durch den Stern im Wirtshaus-Schild das Recht aufs Ausschenken selbstgebrauten Bieres dokumentieren zu dürfen. Nach anderer Lesart ist das Hexagramm als ein Schutzsymbol gegen die in den Brauereien des Mittelalters stets gegenwärtige Feuergefahr angesehen worden.
Auch W. Gunther Plaut, 1945 als Rabbi in der US-Armee tätig, weist auf die universelle Verbreitung des Hexagramms hin - von altrömischen Tafelgeschirr über mittelalterliche Kirchen bis zur Dollar-Note und zum Sheriff-Stern.
a W. Gunther Plaut: THE MAGEN DAVID - How the six-pointed star became an emblem for the Jewish people. B'nai B'rith Books, Washington D.C., 1991
Hexagramm auf einem Grabkreuz im Friedhof des Klosters Arbore/Rumänien |
Turm der Universität Czernowitz (früher Sitz des orthodoxen Metropoliten) |
Der
David- oder Zionsstern
Wie das Hexagramm als „Schild Davids“ zum Symbol des Judentums und des
Staates Israel wurde, beschreibt Gershom Scholem in einem 1948 hebräisch
verfassten und im Almanach des „Haarez“ (Tel Aviv) erschienenen Aufsatz. In
umgearbeiteter Form wurde dieser Aufsatz auch auf Deutsch publiziert.
a Gershom Scholem: „Das Davidschild - Geschichte eines Symbols“,
Judaica 2, Suhrkamp-Verlag, Frankfurt, 1963.
Nach Scholem steht das Hexagramm in keinem ursächlichen Zusammenhang
mit der jüdischen Religion. Wie in vielen anderen Kulturen ist das Hexagramm
auch im jüdischen Kulturkreis zunächst nichts als ein geometrisches Ornament.
Es tritt auf jüdischen Altertümern nur sehr selten auf. Ironischerweise findet
es sich auf einem Fries der Synagoge von Kaparnaum (2. bis 3. Jh.) zusammen mit
einer Art Hakenkreuzornament.
Lange bevor das
Hexagramm in den Synagogen erscheint, tritt es
als Heilszeichen in frühmittelalterlichen Kirchen auf. Demgegenüber ist
das eigentliche religiöse Symbol des Judentums der siebenarmige Leuchter, die Menorah.
Diese bildet ja heute auch das offizielle Wappen Israels.
Als „Siegel Salomons“ wird das Hexagramm fälschlich auf die im 16.
Jahrhundert entstandenen kabbalistischen Schriften des Isaak Luria zurückgeführt.
In Wahrheit findet sich das Hexagramm in zahlreichen jüdischen, christlichen
und auch arabischen magischen Texten als ein gegen böse Geister wirkendes
Symbol. Als solches wird es im Mittelalter dem Text der Mesusa (am Türpfosten
des jüdischen Hauses angebrachte Schriftkapsel) hinzugefügt.
Als Talisman gegen die Dämonen erhielten sich Hexagramm und Pentagramm bis in
die Neuzeit, wobei BEIDE als „Siegel Salomons“ bezeichnet wurden. Beide
Zeichen waren ja auch Teil der Symbolsprache der Alchimisten.
An die Kabbala erinnert eine moderne Codierung des hebräischen Alphabets mithilfe des Hexagramms:
Der offizielle Gebrauch des Hexagramms als Symbol für eine jüdische
Gemeinschaft geht erst auf das mittelalterliche Prag zurück. Unter
Karl VI. erhielten die Prager Juden 1357 das Recht, eine eigene Fahne zu
führen. Schon 1527 wurde Kaiser Ferdinand I. bei seinem Einzug in Prag
von der jüdischen Gemeinde mit einer Fahne begrüßt, die das Davidschild
enthielt. Ein Duplikat dieser Fahne, 1716 angefertigt, befindet sich in der
Prager „Altneusynagoge“.
Demgegenüber wurde Matthias Corvinus bei seinem Einzug in Budapest 1476
von der dortigen jüdischen Gemeinde mit einer roten Fahne begrüßt, die einen
„fünfeckigen Drudenfuss und unter ihm zwei goldene Sterne über einem
Judenhut“ zeigte (a.a.O. 109). In
Prag aber setzt sich das Hexagramm gegen das Pentagramm als offizielles
Zeichen der jüdischen Gemeinde auf Siegeln und auf Gebäuden durch. Von dort
aus verbreitet es sich ab dem 17. Jahrhundert
über die gesamte österreichisch-ungarische Monarchie.
Fahne in der Altneusynagoge | Fahne mit Hexagramm beim Einzug eines Kaisers in Prag |
In Wien erscheint das
Hexagramm zuerst in einer Urkunde von 1655. Aus dem Jahr 1656 hat sich
ein Grenzstein
zwischen der Judenstadt von
Wien und der Christenstadt
erhalten, auf dem Davidschild und Kreuz
in gleicher Größe eingemeißelt sind. Er steht heute im neuen jüdischen
Museum der Stadt Wien.
Die 1670 aus Wien vertriebenen Juden nahmen ihr Zeichen
mit über Mähren bis nach Preußen.
Die aschkenasische Gemeinde Amsterdams führte ab dem 18. Jahrhundert den
Davidstern in der Prager Form
(mit einem schiefstehenden Judenhut, der dort
freilich als „Schwedenhut“ bezeichnet wurde). Immer
mehr wurde das Hexagramm zum identitätsstiftenden Symbol, das von den Juden dem
ihnen überall begegnenden christlichen Kreuz gegenübergestellt wurde. Viele
nichtjüdische Architekten integrierten es im
19. Jahrhundert als selbstverständliches
religiöses Kennzeichen in die von ihnen entworfenen
Synagogenbauten.
Hexagramm in den Fenstern der verfallenden Synagoge von Vatra Dornei/Rumänien | Hexagramm im Stiegenhaus des "Jüdischen Hauses" in Czernowitz. Unter dem Kommunismus waren die Ecken abgesägt. |
Das
Hexagramm hatte seinen überlieferten Amulettcharakter nie verloren und gelangte
so - unwidersprochen durch Rabbiner und Schriftgelehrte - auch auf viele jüdische
Kultgegenstände.
Gershom Scholem bemerkt hiezu bitter:
„Gerade in den Tagen seiner größten Verbreitung im 19. Jahrhundert diente das Davidschild als sinnleeres Symbol eines Judentums, das selber mehr und mehr der Sinnlosigkeit verfiel. Die Sermone der Prediger waren nicht ausreichend, um dem Zeichen Leben einzuhauchen. Die glanzvolle und leere Karriere des „Magen David“ im 19. Jahrhundert ist selber ein Zeichen jüdischen Verfalls.“ (a.a.O. p. 116)
Mit dem Auftreten der zionistischen Bewegung in den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts trat das Hexagramm in eine neue, bedeutende Phase. Am 4.6.1897 erschien die erste Nummer der Zeitschrift „Welt“, herausgegeben von Theodor Herzl und versehen mit dem Davidstern. Im gleichen Jahr wählte der Basler Kongress das Hexagramm zum offiziellen Emblem der zionistischen Bewegung.
Gleichzeitig wurde das von den Juden nunmehr als Symbol ihrer Sehnsucht nach einem eigenen Staat angenommene Zeichen immer stärker auch zum antisemitischen Kürzel, das auf judenfeindlichen Flugblättern und Schriften allenthalben auftrat. Schon in den zwanziger Jahren wurde der Davidsstern auf Synagogen und jüdische Geschäfte geschmiert. Und bis heute kommt es vor, dass nicht nur Hakenkreuze sondern auch Hexagramme als Graffiti an Wände oder Mauern gelangen.
"Mehr Bedeutung als durch die Zionistische Bewegung bekam der Davidsstern durch die Verwendung als Schandmal für Millionen unserer Volksgenossen, die aber am Ende die Bedeutung umkehrten. Das Zeichen, das ihren Tod bedeutete, wurde zu einem Zeichen des Lebens. Anders gesagt: Das Zeichen, das Folter und Qualen bedeutete, wurde zu einem Zeichen für Leben und Aufbau. Ohne Tiefe – keine Höhe. An dem Ort, an dem er ausgestoßen wurde, fand er am Ende seine Größe." (Gershom Scholem)
Der Judenstern in Österreich
Nichts symbolisiert die lange Tradition des österreichischen Antisemitismus besser als ein kleines Relief am Wiener Judenplatz. Der Judenplatz hatte unter dem Namen „Schulhof“ den Mittelpunkt der einstigen Judenstadt gebildet, die sich direkt neben dem Herzogshof erstreckte. Hier befanden sich Schule, Badestube, Synagoge und das Haus des Rabbis. Die Judenschule war eine der bedeutendsten des deutschen Sprachraums. Die Wiener Judenstadt war bis zur ersten großen Judenverfolgung durch vier Tore von der übrigen Stadt abgeschlossen. Nach 1421 wurde die Synagoge abgetragen, das Baumaterial wurde zur Errichtung des Universitätsgebäudes mitverwendet.
Auf dem Judenplatz wurde 1935 ein Standbild für Gotthold Ephraim Lessing (1729-1781) errichtet, der mit seiner Ringparabel in „Nathan der Weise“ der interkonfessionellen Toleranz ein bleibendes literarisches Denkmal gesetzt hat. Die von Siegfried Charoux geschaffene Statue wurde 1938 von den Nazis entfernt und eingeschmolzen. 1968 entstand sie neu und kam zunächst auf den Morzinplatz, übersiedelte aber 1982 an ihren „alten“ Aufstellungsort am Judenplatz.
Von dem eindrucksvollen Standbild des Aufklärers Lessing wendet sich der Blick des Beschauers auf die Fassade des „Jordanhauses“, wo in lateinischer Sprache zu lesen steht:
„Durch
den Jordanfluss wird der Leib von Krankheit und Übel gereinigt, da weicht
selbst verborgene Sündhaftigkeit. So
rast die Flamme sich erhebend durch die ganze Stadt im Jahr 1421 und sühnt die
grausamen Verbrechen der jüdischen Hunde.
Die Welt wurde einst durch die Deukalionische Flut gereinigt, doch
diesmal wurde die Schuld in den Flammen gebüßt.“
Diese Darstellung der Taufe Jesu im Jordan wurde zur Erinnerung an die 1421 auf der Gänseweide (Hinrichtungsstätte, etwa am Beginn der heutigen Weißgerberlände gelegen, letzte Exekution auf dem Scheiterhaufen 1733, danach Hinrichtung von Militärpersonen durch Erschießen bis 1798) erfolgte Judenverbrennung vom ersten Besitzer des Hauses, Jörg Jordan, 1497 angebracht. Nachdem das Haus zeitweilig dem Jesuitenorden gehört hatte, befindet es sich seit 1684 in Privatbesitz.
Als willkommene Entschuldigung für das Fehlen jeder erklärenden Inschrift dient die Befürchtung des Hauseigentümers, eine solche Tafel würde zu antisemitischen Schmieraktionen führen. Vielleicht gemildert durch die der Mehrheit der Österreicher unverständliche Sprache, aber jedenfalls durch keine Zusatztafel kommentiert, perpetuiert das Relief im Grunde die traditionelle Judenfeindschaft, die aus dem Mittelalter über Schönerer und Lueger zu Hitler und Eichmann, nach Dachau und Auschwitz geführt hat.
a
Eine Tradition,
die nichts dabei fand, dass zwischen 1888 und 1938 ein Haus in der Josefstadt
(Josefsgasse
4-6), in dem zwei judenfeindliche Tageszeitungen („Deutsches Volksblatt“ und
„Deutsch-österreichische Tageszeitung“) hergestellt wurden, als
„Antisemitenhof“ bezeichnet wurde.
a Eine Tradition,
die noch heute deutschnationale, fremdenfeindliche Inschriften auf Hausfassaden duldet
(Haus des Ersten Wiener Turnvereins, 6., Schleifmühlgasse 23 mit der
Inschrift: "Dem Deutschen kann nur durch Deutsche geholfen werden. Fremde
Helfer bringen uns immer tiefer ins Verderben.")
a
Eine Tradition, deren Restbestände
bis heute empirisch nachweisbar sind: In der vom ORF nach der
Ausstrahlung der Fernsehserie „Holocaust“ 1980 in Auftrag gegebenen und als Eigenstudie des
Instituts GfK Austria in der Folge jährlich durchgeführten
Langzeitstudie bezeichnen 2007 noch 7 Prozent der Österreicher über 14
Jahre den millionenfachen Mord an den Juden während der NS-Zeit als
„historisch nicht erwiesen“. Wie weit hier Informationsmangel oder
Desinformation vorliegen, wäre noch zu prüfen.
Am 25. Oktober 2000 wurde auf dem Judenplatz das Mahnmal für die jüdischen Opfer der Shoah enthüllt. Entworfen von der britischen Installationskünstlerin Rachel Whiteread (geb.1963) ist es ein Stahlbetonkubus, dessen Außenflächen als nach außen gewendete Bibliothekswände modelliert sind. Auf Bodenfriesen rund um das Mahnmal sind die Namen jener Orte festgehalten, an denen österreichische Juden und Jüdinnen während der NS-Herrschaft ermordet wurden. Das Mahnmal steht in engem Konnex mit dem Informationsbereich zur Shoah, der vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes im Erdgeschoß des Misrachi-Hauses eingerichtet wurde. Hier werden Namen und Daten der 65.000 Juden und Jüdinnen und die Umstände, die zu ihrer Verfolgung und Ermordung geführt haben, präsentiert. |
1998
endlich wurde am Judenplatz eine Schrifttafel angebracht, die auf die
historische Problematik hinweist:
Zur
Vorgeschichte und Gesamtthematik des Erinnerungsgeschehens am Judenplatz vgl.
a Simon
Wiesenthal, Hrsg., Projekt:Judenplatz, Wien, Zsolnay, Wien 2000
Der Judenstern als Symbol von Ausgrenzung, Vertreibung und Vernichtung der österreichischen Juden
Zwei
österreichische Historiker haben in einander ergänzenden Aufsätzen einen Überblick
über die tragischen Jahre gegeben, in denen das jüdische Leben in Österreich
praktisch ausgelöscht wurde:
a Gerhard Botz, Stufen der Ausgliederung der Juden aus der
Gesellschaft. Die österreichischen Juden vom „Anschluss“ zum
„Holocaust“, in: „Zeitgeschichte“ 9/10-1987, Seite 359 ff.
a
Erika Weinzierl, Schuld durch Gleichgültigkeit, in: Anton
Pelinka/Erika
Weinzierl, Das große Tabu, Edition S, Wien, 1987,
Seite 174 ff.
Eingangs
sei bemerkt, dass die Mitwirkung von Österreichern an den Judenverfolgungen der
Nazis zwar jedermann bekannt war und ist, dieser Umstand aber im öffentlichen
Bewusstsein immer noch nicht richtig verarbeitet, sondern in gut österreichischer Tradition
verdrängt wurde und wird.
Es
sollte bis zum Jahr 1991 dauern, bis ein österreichischer Bundeskanzler
offiziell die Verstrickung des österreichischen Volkes in die Gräuel der
Nazizeit erklärt und zugegeben hat:
„... Dennoch
haben auch viele Österreicher den Anschluss begrüsst, haben das
nationalsozialistische Regime gestützt, haben es auf vielen Ebenen
der Hierarchie mitgetragen. Viele Österreicher waren
an den Unterdrückungsmaßnahmen und Verfolgungen des Dritten Reichs
beteiligt, zum Teil an prominenter Stelle. Über eine moralische
Mitverantwortung für Taten unserer Bürger können wir uns auch heute nicht
hinwegsetzen ...“ (Bundeskanzler
Franz Vranitzky im Nationalrat am 8. Juli 1991 - Sten. Prot. XVIII. GP, 35.
Sitzung, 3282 f.)
Hier
ein Überblick über die progressive Ausgliederung der österreichischen
Juden aus der Gesellschaft in den Jahren 1938 - 1943 anhand der von Gerhard Botz
herausgearbeiteten acht Phasen, die in der Kennzeichnung mit dem Judenstern und
der Deportation vieler österreichischer Juden gipfelten. Sie werden teilweise
im Detail dargestellt, damit auch dem jungen Leser vor Augen geführt wird, was
der Judenstern an der Brust österreichischer Mitbürger - manche von ihnen
waren Offiziere in der k.u.k. Armee gewesen - in der Praxis wirklich bedeutete.
1. Spontane Privatpogrome und Erniedrigungsrituale
Unmittelbar nach dem „Anschluss“ am 12. März 1938 wurden jüdische Mitbürger durch uniformierten und nicht uniformierten Mob zu „Putzkolonnen“ und „Reibpartien“ gezwungen, bei denen sie unter Spott und Misshandlungen Strassen und Wände von den Wahlparolen Schuschniggs und den Kruckenkreuzen der Vaterländischen Front reinigen mussten. Hier der bekannte Augenzeugenbericht eines britischen Journalisten:
„Von
meinem Büro am Petersplatz konnte ich auch Wochen hindurch den Lieblingssport
des Nazimobs beobachten: jüdische Männer und Frauen wurden gezwungen, auf
allen vieren kriechend, den Gehsteig mit einer scharfen Lauge zu reiben, die
ihnen die Haut verbrannte ... Jetzt aber wurden tagtäglich Juden, Frauen und Männer
von der SA aus Geschäften, Büros und Wohnungen geholt und gezwungen, inmitten
einer sich drängenden, stichelnden und lachenden Menge von „goldenen Wiener
Herzen“ mit Ausreibbürsten, auf allen vieren kriechend, stundenlang die
Gehsteige zu reiben, in dem hoffnungslosen Versuch, die Spuren der
Schuschnigg-Propaganda zu beseitigen. (Wo es keine Krückenkreuze wegzuwaschen
gab, malten sie die Nazi selbst auf den Gehsteig, um den Juden so eine Arbeit zu
schaffen.) Von Zeit zu Zeit johlte die Menge vor Vergnügen auf. Diese
bedeutete, dass einer der SA-Männer höhnisch gesagt hatte, „Sie brauchen
frisches Wasser“ und dabei einen Kübel voll Schmutzwasser über sein Opfer
gegossen hatte.
Die
erste Reibpartie sah ich auf dem Praterstern. Sie musste das Bild Schuschniggs
entfernen, das mit einer Schablone auf den Sockel eines Monuments gemalt worden
war. SA-Leute schleppten einen bejahrten jüdischen Arbeiter und seine Frau
durch die beifallklatschende Menge. Tränen rollten der alten Frau über die
Wangen, und während sie starr vor sich hinsah und förmlich durch ihre Peiniger
hindurchblickte, konnte ich sehen, wie der alte Mann, dessen Arm sie hielt,
versuchte, ihre Hand zu streicheln. >Arbeit
für die Juden, endlich Arbeit für die Juden!< heulte die Menge.
>Wir danken unserem Führer, er hat Arbeit für die Juden
geschafft!<“
a G.E.R. Gedye, Als die Bastionen fielen, Junius, Wien, 1981, 294 f.
(Dieses
Buch wurde unter dem unmittelbaren Eindruck der erlebten Ereignisse geschrieben
und erschien zum ersten Mal im Februar 1939 in London. Die erste
deutschsprachige Ausgabe kam dann 1947 im Wiener Verlag Danubius heraus.)
Durch die NSDAP
„legalisierte“ und nicht legalisierte Privatraubzüge
und andere Gewalttaten trieben über 200 Juden in
den Selbstmord. Rund 2000 jüdische Bürger wurden verhaftet und
nach Dachau deportiert.
Nach
Friedrich Heer drangen die Nazi-Stürmer mit dem Rufe „Hep,hep, hep!" in jüdische Geschäfte ein: dieser Ruf geht auf die
Kreuzfahrer
zurück, die unter der Parole „H/IEROSOLIMA E/ST/P/ERDUTA“
bei der ersten Eroberung Jerusalems die gesamte jüdische
Gemeinde massakrierten.
2. Legistische Ausgrenzung
Die
Einführung der sogenannten Nürnberger Rassengesetze („Reichsbürgergesetz“ und „Gesetz zum Schutz des
deutschen Blutes und der deutschen Ehre“ aus dem September 1935) in der
„Ostmark“ erfolgte am 20. Mai 1938.
Danach
konnte den „Ariernachweis“ nur erbringen, wer vier nichtjüdische Großeltern
hatte. „Eheschließungen zwischen Juden und Staatsangehörigen deutschen oder
artverwandten Blutes“ waren ebenso verboten wie „außerehelicher Verkehr
zwischen Juden und Staatsangehörigen deutschen oder artverwandten Blutes“.
Die
mit 23. Juli 1938 eingeführten
„Kennkarten“ und die Reisepässe wurden im Falle jüdischer Bürger auf der
ersten Seite mit einem großen roten „J“
gestempelt. . Das „J“ - übrigens
eine Schweizer „Erfindung“ - findet sich bald auch auf den in Geltung
tretenden Lebensmittelkarten. Ab
7. Februar 1939 werden alle Juden dazu gezwungen, die Vornamen „Israel“
bzw.
„Sara“ anzunehmen. Die
Juden werden aus dem Schul- und Hochschulwesen sowie aus den freien Berufen
entfernt.
Im Sommer 1938 wird die Ausstellung „Der Ewige Jude“ nach
Wien in die Nordwestbahnhalle gebracht. Sie wird von 350.000 Wienern, darunter
von allen Schülern, besucht. Hier die Plakate für die Wiener Ausstellung und
den 1940 im Auftrag von Joseph Göbbels gedrehten, gleichnamigen
Propagandafilm.
3. Wirtschaftliche Zwangsmaßnahmen
Von
den rund 200.000 Juden der „Ostmark“ lebten 90 Prozent in Wien. Im Gegensatz
zum „Altreich“ wurde die „Entjudung“ in Österreich durch zunächst
„wilde Arisierungen“ stark beschleunigt. Massenentlassungen von Juden und
Enteignungen begannen das wirtschaftliche Leben stark zu beeinträchtigen. 25.000
„kommissarische Leiter“ (meist Nazifunktionäre und Mitläufer)
hatten - oft ohne hinreichende Sachkenntnis - von jüdischen
Geschäften Besitz ergriffen. Das österreichische „Arisierungsverfahren“
wird zum Vorbild für Regelungen in den übrigen Teilen
des „Großdeutschen Reiches“. (Hier und an anderer Stelle wird man
immer wieder an das Wort von Karl Kraus von der„österreichischen
Versuchstation des Weltunterganges“
a Karl Kraus, Die Fackel
Nr. 400-403/Juli 1914 - erinnert).
Die
Pauperisierung großer Teile der Juden Wiens kommt u.a. in der öffentlichen
Ausspeisung von täglich bis zu 40.000 Juden durch die
„Notausspeisungszentrale“ der zur Mitwirkung (!) an den Verfolgungsmaßnahmen
am 2. Mai 1938 wiedereröffneten Wiener Israelitischen Kultusgemeinde zum
Ausdruck. (Die
Arbeitsteilung zwischen Verfolgern und Verfolgten durch die erzwungene
Mitwirkung der jüdischen Institutionen erwies sich bis in die
nationalsozialistischen Vernichtungslager hinein als eine ebenso teuflische wie
wirksame Strategie.)
Anmerkung:
Es sollte bis Ende des Jahres 2005 dauern, bis - nach Gewährleistung der
sogenannten "Rechtssicherheit" , d.h. der Zusage der Einstellung von
individuellen Gerichtsverfahren in den USA - die Restitution geraubten
jüdischen Eigentums in Österreich zur Gänze abgewickelt werden konnte.
4. Erzwungene Emigration
Unter
Mithilfe der „Zentralstelle für jüdische Auswanderer in Wien“ konnten bis
Ende 1939 an die 130.000 österreichische Juden zur Emigration gebracht werden,
wobei den vermögenden Auswanderern ein Beitrag zur Finanzierung der Emigration
der ärmeren Juden abverlangt wurde.
5. Mord und Brand auf breiter Basis: Die "Reichskristallnacht"
In
Wien hatte die Radikalisierung schon vor den wegen der vielen zu Bruch
gegangenen Fensterscheiben zynisch als „Reichskristallnacht“ bezeichneten
Ausschreitungen eingesetzt. So war auch das von höchster Stelle angeordnete Großpogrom,
das SA und SS in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 in Zivil durchführten,
in Wien heftiger als im „Altreich“:
Neben
der Verwüstung tausender jüdischer Geschäfte und Wohnungen wurden
42
Synagogen - meist durch Brand - vollkommen zerstört. Plünderungen, Vergewaltigungen und Morde hinterließen
zahlreiche Opfer. Allein in der ehemaligen Klosterschule in der Wiener
Kenyongasse wurden 27 Juden getötet und 88 schwer verletzt. An die 700
Selbstmorde folgten aus Verzweiflung. Aber auch in den ehemaligen Bundesländern
außerhalb Wiens ("Donau- und Alpengaue") wurde durch SA, SS und HJ gewüstet und gemordet. In Innsbruck verloren drei
Juden ihr Leben, im Burgenland und in Niederösterreich wurden Synagogen und
viele jüdische Friedhöfe verwüstet.
Ähnliches ereignete sich in Graz, Klagenfurt, Linz und Salzburg, wo es
allerdings zu diesem Zeitpunkt nur mehr sehr wenige jüdische Geschäfte gab.
a Vgl.
hiezu auch die einschlägigen Ausführungen im Paper "Hakenkreuz"
auf dieser Website.
6. Räumliche Ausgrenzung (Ghettoisierung)
Etwa
10 Prozent des Gesamtbestandes an Wohnungen in Wien - rund 70.000 - waren 1938
in jüdischem Besitz. Erzwungene
Auswanderung und „wilde“ Arisierung hatten einen Grossteil davon bereits in
die Hände der nichtjüdischen Bevölkerung gelangen lassen. Hand in Hand mit
den Wohnungsarisierungen wurden immer mehr jüdische Einwohner Wiens in den
Bezirken entlang des Donaukanals angesiedelt. Das führte zu Protesten der
NS-Dienststellen der betroffenen Stadtviertel, worauf die Wiener Stadtverwaltung
unter Gauleiter Josef Bürckel (im Volksmund „Bierleiter Gauckel“ genannt) die
Errichtung zweier Arbeitslager für je 6.000 Insassen bei Gänserndorf ins Auge
fasste. Bei verbliebenen 50.000 Juden im Oktober 1939 wurde offensichtlich
bereits damals mit letalen Folgen von Zwangsarbeit und Überbelegung
spekuliert. Die rasche Eroberung
Polens führte
zur Aufgabe dieser Pläne, da die Deportation der Juden aus Wien
für Hitler aus seiner bekannten persönlichen Sicht Priorität hatte.
Vergleiche hiezu die
immer wieder faszinierend zu lesenden Assoziationen
Friedrich Heers zu den Wurzeln von Hitlers Antisemitismus, u.a. in:
a
Friedrich Heer, Gottes Erste Liebe, Bechtle, Esslingen,1967/ Herbig München, 1981
(Lizenzausgabe), 386 ff.
7. Volle Stereotypisierung des "schmutzigen Juden"
Die
Deprivierung, Pauperisierung und Ghettoisierung der Juden in der „Ostmark“
und im „Reich“ machte aus der langjährigen Diffamierung dieser Bevölkerungsgruppe
als „heruntergekommen“, „schmutzig“, „egoistisch“ eine „self-fulfilling
prophecy“:
Je
mehr man sie knechtete und ausgrenzte, umso mehr näherten sich die
bedauernswerten Opfer der nationalsozialistischen Ausrottungspolitik dem in
Julius Streichers „Stürmer“ (seit 1923) und in anderen antisemitischen
Hetzschriften erzeugten Stereotyp des „Ostjuden“. Damit wurde nun „der
Jude“ von den meisten „Ariern“ so gesehen, wie er nach dem Willen des
Regimes gesehen werden sollte. Und damit wurde jeder Solidarisierung der Boden
entzogen. Als "Volksfeinde", „Volksschädlinge“ und „Parasiten“ konnten die Wiener
Juden, die überdies zu 40 Prozent (!) bereits das 60. Lebensjahr überschritten
hatten, ohne das Risiko eines Protestes durch die Mehrheitsbevölkerung
deportiert und einem ungewissen Schicksal ausgeliefert werden. Mit
einer Ausgangssperre belegt, spätestens ab September 1939 vom Besuch
der Bäder, vom Betreten des Praters und der übrigen Parkanlagen,
vom Radioempfang und der Telefonbenützung ausgeschlossen, durften
die Juden schließlich nicht einmal mehr die öffentlichen Verkehrsmittel
benutzen.
8. Stigmatisierung, Abtransport, Todeslager
Es ist
nicht möglich, an dieser Stelle alle Restriktionen, Schikanen
und Quälereien - durch mehr als 250 antijüdische Verordnungen
legistisch verbrämt - aufzuzählen, denen die bis 1941
noch im Herrschaftsbereich des Nationalsozialismus verbliebenen
Menschen jüdischen Glaubens und jüdischer Abstammung
ausgesetzt waren. Man
darf aber nie übersehen, dass der Nationalsozialismus - gerade im katholischen
Österreich - auf eine Jahrhunderte lange Tradition der blutigen Verfolgung und
vielfachen Diskriminierung - darunter auch schon die äußerliche
Kenntlichmachung der Juden - zurückgreifen konnte:
Bereits
im Jahre 1215 wurde den Juden vom 4. Laterankonzil das Tragen hoher, kegelförmiger
Hüte vorgeschrieben. Ein Beispiel dafür findet sich im Stadtwappen von
Judenburg sowie im einschlägigen
Artikel der Wikipedia:
Später
wurde ein gelber Kreisring bzw. Tuchlappen erdacht, der von den Juden zu tragen
war. 1452 setzte sich der deutsche Kirchenrechtler und Philosoph Nikolaus von
Kues (1401-1464) für eine Erneuerung dieser Vorschrift ein, die von Kaiser
Ferdinand I. 1551 für die österreichischen Erblande bekräftigt wurde.
a Über
den rassischen und politischen Antisemitismus und die Rolle Österreichs um die
Jahrhundertwende
vgl. das Paper über das Hakenkreuz.
Der aufgenähte Stern
Der
Gipfelpunkt der gesellschaftlichen Diskriminierung wurde jedenfalls mit der
Polizeiverordnung vom 1.9.1941 über die Kennzeichnung der Juden
erreicht. Diese Vorschrift wurde zuerst 1939 im „Generalgouvernement“
(Restgebiet Polens um Krakau) mit einem gelben Dreieck bzw. einem blauen
Zionsstern auf weißer Armbinde ausprobiert (man wird hier an die probeweise
Einführung des Urentwurfs des österreichischen Bürgerlichen Gesetzbuches ABGB
in Form des „Westgalizischen Gesetzbuches“ 1797 erinnert!). Und auch schon
im Juni 1941 war vom kroatischen Ustascha-Regime verfügt worden, dass jüdische
Geschäftslokale mit einem gelben Stern zu kennzeichnen seien. Die Regelung sah
Folgendes vor:
Ab Mitte September 1941 mussten alle über sechs Jahre alten Juden auf ihrer Kleidung den gelben Judenstern tragen. In zynischer Raffinesse kehrte man dabei das traditionelle Symbol des Judentums wider die Juden selbst, wobei man außerdem das Wort „Jude“, das der schwarz gerandete gelbe Stern enthielt, in einer in Richtung des Hebräischen verfremdeten Schreibweise abfasste. So suchte man die vorhandenen uralten antisemitischen Tendenzen zu verstärken. (Dem gleichen Ziel hatten ja Propagandaausstellungen wie die oben erwähnte in der Wiener Nordwestbahnhalle gedient, wo auch ein Judenkleid mit gelbem Judenring gezeigt wurde, oder der Spielfilm „Jud Süß“, der mit einem Davidstern begann).
|
|
Deutsches Reich, Elsass, Protektorat Böhmen und Mähren |
NDH (Kroatien + Bosnien) |
Niederlande | Frankreich | Belgien |
Polen | Ungarn | Slowakei |
Bulgarien |
Armbinde: Griechenland, Serbien |
Rumänien |
Quelle: Shoa.de |
Nach
einem Bericht von Wolfgang Benz („Der Spiegel“ 39/1988, 150) hatten die
Betroffenen bei der Verteilung der Judensterne
wieder selbst mitzuwirken. Dabei wurde wie folgt vorgegangen:
Am
8. September 1941 wurde Dr. Josef Löwenherz als Vertreter der Israelitischen
Kultusgemeinde Wien im Reichssicherheitshauptamt in Berlin von zwei
Gestapo-Offizieren mitgeteilt, dass am 17. September 1941 zunächst ein Stern
pro Person zur Verfügung gestellt werden würde. Pünktlich zum Inkrafttreten
der Verordnung am 19. September 1941 seien alle Juden ausnahmslos zu
kennzeichnen. Als Bezugspreis habe die Gemeinde
3 Reichspfennige zu entrichten,
der Stern sei um 10 Reichspfennige weiterzugeben. Innerhalb
weniger Tage führte die große Berliner Fahnenfabrik Geitel & Co den ihr
erteilten Auftrag aus und lieferte fast eine Million Sterne, aufgedruckt auf lange
Stoffbahnen, aus. Bei der Ausgabe
der Judensterne musste folgender Text unterschrieben werden:
„Ich
bestätige hiedurch den Empfang von 1 Judenstern. Mir sind die gesetzlichen
Bestimmungen über das Tragen des Judensterns, das Verbot des Tragens von Orden,
Ehrenzeichen und sonstigen Abzeichen bekannt. Auch
weiß ich, dass ich meinen Wohnort nicht verlassen darf, ohne einen schriftliche
Erlaubnis der Ortspolizeibehörde bei mir zu führen. Ich
verpflichte mich, das Kennzeichen sorgfältig und pfleglich zu behandeln und bei
seinem Aufnähen auf das Kleidungsstück den über das Kennzeichen hinausragenden
Stoffrand umzuschlagen. Abschrift
dieser Quittung ist in meinem Besitz.“
Mit
der Ausgabe der gelben Judensterne wurde ein erneuter antisemitischer Feldzug
verbunden, der jeden Umgang mit den „Sternträgern“ untersagte. Von den
Juden selbst ist der Stern als quälendes Brandzeichen, als weithin sichtbares
Symbol ihrer sozialen Degradierung empfunden worden. Insbesondere die Kinder
traf dies schwer.
Im
Juli 1943 wurden übrigens die noch im Land verbliebenen Juden verpflichtet,
auch an ihrer Wohnungstür einen schwarzen Judenstern auf weißem Papier anzubringen.
In Ungarn war der Judenstern nur in Gelb ausgeführt. In der Slowakei
wurde der Judenstern mit dem "Judenkodex" vom 9. September 1941
eingeführt. Mit ihm waren auch Briefe von Juden zu kennzeichnen - etwas,
"was nicht einmal den deutschen Nazis eingefallen war" ("Die
Zeit" Nr. 40/2007, S. 112).
Neben
dem Judenstern gab es im Dritten Reich auch noch den "Polenstern"
mit ähnlich
diskriminierendem Charakter, der ebenfalls schon durch die Farbe Gelb zum
Ausdruck kam. Der
Polenstern war ein gelber Flicken mit einem großen violetten „P“ in der Mitte eines
auf der Spitze stehenden Quadrats. Er wurde den polnischen Zwangsarbeitern auf
die Jacke genäht.
Des
weiteren erfanden die Nationalsozialisten auch eine Kennzeichnung aller jener
Volksstämme, die Zwangsarbeiter im Dritten Reich stellen mussten:
Ab
1944 wurden die zur Zwangsarbeit Verpflichteten dadurch gleichzeitig kenntlich
gemacht und diskriminiert, dass sie ein Symbol aus ihrem jeweils eigenen
ethno-kulturellen Bereich tragen mussten. Ihnen wurde „Haltung und Leistung“
sowie „Mitarbeit im Kampf gegen die jüdisch-bolschewistische Weltgefahr“
zugebilligt, sodass die Kennzeichen als „Ehrenzeichen“ getarnt wurden.
Die „Volkstumsabzeichen“
bestanden aus einem Sonnenblumenkranz (wohl als dem Symbol
des Ernteeinsatzes in den Ostgebieten), der bei ukrainischen Ostarbeitern den Dreizack, bei weißrussischen Ähre und Zahnrad und
bei russischen das Andreaskreuz umschloss. Die Abzeichen waren den Landesfarben angepasst und dementsprechend bei Ukrainern blau-gelb, bei Weißrussen rot-weiß und
bei Russen weiß-blau-rot gehalten. Die Strafbestimmungen für das Nichttragen der
Abzeichen blieben dennoch aufrecht. Angehörige von ehemaligen Hilfswilligen, die
aus ihren Verbänden ausgeschieden waren und sich zum Arbeitseinsatz im „Reich“
befanden, erhielten als besondere Auszeichnung zusätzlich in den Landesfarben gehaltene Ärmelstreifen.
a http://www.historikerkommission.gv.at/pdf/INTZWANGSARBEIT.pdf
Folgende Formen wurden ausgegeben:
Ukrainer: Dreizack („Trysub“, altes ukrainisches Symbol für Autorität, ist seit 19.2.1991 wieder Staatswappen); Farben Blau-Gelb, | ||
Ukraine | Heutiges und historisches Wappen | Heutige und historische Farben |
Russen: Andreaskreuz; Farben Weiß-Blau-Rot, | ||
Russische Föderation | Heutige Marineflagge | Heutige Staatsflagge |
Weissrussen: Ähre und Zahnrad; Farben Weiss-Rot. | ||
Republik Weißrussland | Historische Staatsflagge | Heutige Staatsflagge |
Über
die verschiedenen KZ-Abzeichen und Farben berichtete der ehemalige Nationalratspräsident
Dr. Alfred Maleta aus Dachau:
„Es
gab dort sogenannte „Politische“, die ein rotes Dreieck auf ihrer Jacke
trugen, dann die sogenannten „Kriminellen“ mit einem grünen Dreieck, die im
Augenblick ihrer Entlassung aus der Strafhaft - als sie glücklich glaubten,
wieder die Luft der Freiheit atmen zu können - von der Gestapo am Gefängnisausgang
geschnappt und in das KZ eingeliefert worden waren. Dann gab es die sogenannten
„Homosexuellen“ mit einem rosaroten Winkel, die aber bei weitem nicht alle
homosexuell waren. Man wollte ganz einfach unbequeme Leute in ihrer Heimat
moralisch diffamieren. Die letzte Gruppe waren die sogenannten
„Arbeitsscheuen“, wobei innerhalb dieser Gruppe noch einmal fein säuberlich
unterschieden wurde, was durch schwarze und braune Dreiecke erkennbar war...
Juden aller Farbschattierungen trugen außerdem noch den Davidstern“.
a
Alfred Maleta, Bewältigte Vergangenheit, Österreich 1932-1945, Styria, Graz, 1981,
204 f.
Die Situation in anderen von Deutschland besetzten Gebieten
Dänemark
wurde von der Deutschen Wehrmacht am 9. Mai 1940 überrannt und praktisch
kampflos eingenommen. Während der ersten Jahre der deutschen Besetzung Dänemarks
kam es zu keinen Judenverfolgungen. Doch als nach der deutschen Niederlage in
Stalingrad und der Landung der Alliierten in Süditalien Unruhen ausbrachen,
wird am 29. August 1943 der Ausnahmezustand verhängt.
Am
8. September 1943 initiiert der Chef der deutschen Besatzungsverwaltung
in Dänemark,
SS-Gruppenführer Dr. Werner Best - einer der geistigen Väter der
Gestapo - die Deportation der dänischen Juden. Bevor jedoch die Deportation am
1. und 2. Oktober eingeleitet wird,
werden die Judengemeinden durch den deutschen Schifffahrtsattaché Georg Ferdinand
Duckwitz, der von Best informiert worden war, gewarnt. Historiker vermuten, dass
Best möglichst schnell zu normalen Verhältnissen zurückkehren wollte. Auf
diese Weise fallen nur 481 Juden den Deutschen in die Hände. Sie werden in
Viehwaggons nach Theresienstadt gebracht, wo 53 von ihnen umkommen. Mehr als
7000 Juden aber können mit Hilfe der dänischen Bevölkerung entkommen - sie
erreichen die nahe schwedische Küste mit Ruderbooten und Fischkuttern - oft
allerdings nur gegen hohe Bezahlung.
Die
noch während des Krieges in England und den USA aufgekommene Behauptung, König
Christian X. habe sich einer deutschen Forderung nach antijüdischer
Gesetzgebung durch die Drohung widersetzt, selbst aus Protest einen Judenstern
zu tragen, entspricht nicht den Tatsachen. Der dänische König hatte allerdings
dem Rabbiner Marcus Melchior brieflich sein Mitgefühl ausgedrückt, als im
Dezember 1941 ein Brandanschlag auf die Synagoge von Kopenhagen verübt wurde.
Im übrigen wurden die Juden in Dänemark niemals zum Tragen des Judensterns
verpflichtet.
Im
besiegten Holland wurde die Aktion Judenstern - unter der umsichtigen Leitung
des katholischen Wiener Rechtsanwalts und Reichsstatthalters Dr. Arthur
Seyss-Inquart - ab April 1942 voll durchgezogen.
Der Eingang in das
Vernichtungslager Auschwitz - |
Der Weg zur "Endlösung"
Trotz
gelegentlicher Solidarisierung mit den Gebrandmarkten, von denen auch einige
hundert versteckt wurden und so den Krieg überlebten, gab es in Österreich
„zu wenige Gerechte“ (Erika Weinzierl) und so nahm die „Endlösung“ der
„Judenfrage“ ihren furchtbaren Lauf:
Wegen
geringfügiger „Delikte“ (z. B. unbeabsichtigtes Verdecken des Judensterns,
Besitz eines Zigarettenstummels ) verhaftet oder in der Nacht planmäßig
„ausgehoben“, wurden Tausende Juden zunächst in Sammellager gebracht. Mit
maximal 50 kg Gepäck erfolgte darauf der Abtransport nach Polen in Güter- oder
Viehwaggons. So wurden bis Ende 1944 an die 40.000 Juden deportiert. Nur 5.700
Juden überlebten das
„Dritte Reich“ in Wien. Rund 65.000 österreichische
Juden fanden den Tod durch die Schergen des NS-Regimes, unter welchen sich viele
und prominente Österreicher befanden.
Gerhard Botz schließt seine Ausführungen mit den Sätzen:
„Die >Endlösung< lag hier auch in vornationalsozialistischer Zeit im Bereich des Denkmöglichen. Sie wurde allerdings erst durchführbar am Ende eines politisch-sozialpsychologischen und bürokratisch-rationalisierenden Prozesses, der das Judenbild stufenweise entmenschlichte und noch vorhandene Solidaritätsgefühle der nichtjüdischen Bevölkerung mit den Juden ausschaltete. Am Anfang dieses Prozesses war die massenhafte Judenverfolgung und -vernichtung noch undurchführbar, gegen Ende war sie es nicht mehr. Die Verfolgung der Juden machte die Juden kollektiv erst zu dem, weswegen sie verfolgt wurden. Dadurch wurden wiederum neue, radikalere Verfolgungsstufen möglich. Judenbild und Judenhass bedingten einander wechselseitig. Der säkularisierte „völkische“ Antisemitismus wie der christlich traditionelle Judenhass wurden zur sich selbst erfüllenden Prophezeiung.“
Die
Schändung jüdischer Friedhöfe blieb nicht auf die Nazizeit beschränkt,
sondern hat sich auch in der Zweiten Republik ereignet. Es ist zu hoffen, dass
sich mit dem Generationswechsel trotz mancher neonazistischer Exzesse in
Deutschland in Österreich solche Ereignisse nie mehr wiederholen.
Der Davidstern in der israelischen Flagge
Unter dem Kommando des kanadischen Brigadiers Ernest F. Benjamin, selber Jude, kämpfte die im Rahmen der britischen
Armee 1944 aufgestellte Jüdische Brigade (ca. 5.000 Mann) gegen die Truppen der Achsenmächte in Italien
von März 1945 bis zum Kriegsende. Im Mai 1945 wurde sie in Tarvisio an der Grenze zu Jugoslawien
und Österreich stationiert und spielte dort eine wesentliche Rolle bei den (illegalen) Bemühungen, Juden aus dem
kriegszerstörten Europa nach Palästina zu bringen. Ihr Abzeichen hatten folgende Gestalt:
Die Flagge Israels wurde am 28.10.1948 offiziell eingeführt.
In
Anlehnung an den Tallit, den jüdischen Gebetsschal, wird der zentral angeordnete Davidstern von zwei breiten
blauen Streifen eingesäumt. Ursprünglich
lichtblau, wurde die Farbe später aus praktischen Gründen etwas dunkler
gemacht.
Die Provisorische Regierung gibt hiermit bekannt, dass die Fahne des Staates Israel folgendermaßen gestaltet ist: Länge der Fahne 220 cm, Breite: 160cm. Der Hintergrund - weiß, mit zwei blauen Streifen. Jeder Streifen ist 25 cm breit und geht über die ganze Breite der Fahne. Der obere Streifen ist 15 cm vom Rand entfernt, der untere Streifen ist ebenfalls 15cm vom Rand entfernt. In der Mitte des weißen Hintergrunds, zwischen den beiden blauen Streifen, in gleicher Entfernung von ihnen - ein Davidsstern, aus 6 blauen Streifen, jeder 5.5 cm breit, die sich zu zwei gleichschenkeligen Dreiecken zusammenfügen, deren Basis parallel zu den Streifen der Fahne verläuft. Tischri 5608 (28. Oktober 1948) Provisorische Regierung Josef Sprinzak - Vorsitzender |
Zunächst war ein Wettbewerb ausgeschrieben worden, der zahlreiche Einsendungen erbrachte. Hier sind zwei typische Entwürfe, gegen die sich jedoch die "Basler" Form durchsetzte:
Interessanterweise
ist nicht vollständig geklärt, ob die Farbe Blau tatsächlich die biblische Originalfarbe des
Gebetschals ist. In einer sehr ausführlichen Abhandlung über die
Bedeutung der Staatsfarben Israels kommt Zvi Ruder zu der Auffassung,
dass sich die Farbe "techelet" keineswegs nur als
"Blau" bestimmen lässt. Zwar wird sie mehrheitlich mit der Farbe des
(Abend)himmels, des (Mittel)meeres und des Saphirs verglichen, doch gibt es auch
Argumente für die Farben Violett und Schwarz - ja sogar für Grün.
Im Altertum war
der Tallit nicht nur ein Gebetsschal, sondern das charakteristische Gewand der Juden, parallel zur Toga der Römer. Die "Zizit" - die Schaufäden - waren im Altertum Schmuck des Gewands von Adligen und Reichen. In der Diaspora, als die Juden unter den verschiedenen anderen Völkern ganz andere Gewänder tragen mussten, wurde der
Tallit zu dem, was er heute ist.
Das Alte Testament erwähnt den Tallit nicht, lediglich die Schaufäden. Ein solcher Faden, in der Farbe "techelet" (tcheleth), musste getragen werden. Das Wort "Techelet" ist problematisch, es ist die Farbe des Abendhimmels und könnte somit auch rosa, rot, sogar hellgrün oder dunkelblau
sein. In den meisten europäischen Übersetzungen ist die Farbe hellblau. Techelet war ein teurer Farbstoff, daher wurde die Farbe mit Adel, Reichtum und Prestige verbunden. Der Tallit hatte in verschiedenen
Gemeinden verschiedene Farben. Im Jemen, zum Beispiel, war er aus schwarzer Wolle mit roten, grünen oder gelben Streifen.
In
diesem Zusammenhang fällt auf, dass die Lutherbibel aus dem Jahr 1545 (und
weitere protestantische Übersetzungen) von blauen Schnüren, die
Einheitsübersetzung von 1985 aber von violetten Purpurschnüren
spricht, die die Israeliten nach Numeri 15:37 an den Quasten ihrer vier
Kleiderzipfel anzubringen haben.
a
Zvi Ruder, The
national colors of the people of Israel, Schamir Publications, Jerusalem, 1999
a Alec Mishory,
Lo and Behold - Zionist Icons and Visual Symbols in Israeli Culture, Am
Oved Pubvlishers, Tel Aviv, 2000.
Das Staatswappen Israels zeigt in Blau eine weiße Menorah, den siebenarmigen Leuchter (das eigentliche religiöse Symbol Israels), der vom Landesnamen und zwei weißen Olivenzweigen eingerahmt wird.
In einer ausführlichen und gut illustrierten Monographie über das Siegel Davids wird die Geschichte des Hexagramms und der israelischen Flagge genau dargelegt:
a W. Gunther Plaut, The Magen David, How the six-pointed star became an emblem for
the Jewish people, B’nai B’rith Books, Washington, D.C., 1991
Nach
diesem Bericht hat Theodor Herzl ursprünglich eine weiße Flagge entworfen, auf
der ein Davidstern mit sechs kleinen Davidsternen in seinen Ecken und dem Löwen
von Juda in seinem Mittelfeld die sieben Arbeitsstunden symbolisieren sollte,
auf deren Einführung im Judenstaat man hoffte.
Beim ersten Zionistischen Kongress im Stadtcasino von Basel 1897 wehte zum ersten Mal eine weiße Flagge mit zwei blauen Streifen. Später reklamierte Herzl-Mitarbeiter David Wolffsohn für sich, zu dieser Gelegenheit auch den Davidstern in die Fahne gesetzt zu haben. Das ist aber bestritten, da ein Photo ohne Stern existiert und davor ähnliche Flaggen in England und in den USA in Gebrauch waren. 1933 wurde die Flagge mit dem Davidstern vom Zionistischen Weltkongress offiziell angenommen.
Vergleiche hiezu auch:
a Amos Elon, Theodor Herzl, Molden Taschenbuch Verlag, Wien, 1974, p. 230.f
Der israelische Graphiker und TV-Designer Yoresh (geb. 1937) schreibt, der Wiener Arzt und Schriftsteller Ludwig August Frankl habe bereits 1864 in einem Gedicht "Judas Farben" die Farben Israels als ein „glänzendes weißes Kleid, eingefasst durch breite lichtblaue Streifen“ beschrieben. In dem Gedicht beschreibt er mit Begeisterung, dass er während des Gebetes in die Farben seines Landes gehüllt ist - mit den Schaufäden ausgestattet - wie seinerzeit der Hohepriester.
Es ist interessant zu vermerken, dass mit „Blau-Weiss“ die erste jüdische Jugendbewegung der Welt in Wien gegründet worden war.
a
Yitzhak
Yoresh, the flag of israel,
variations on the theme, Jerusalem, 1988, p.70