Das äußere Burgtor als österreichisches Heldendenkmal 

Das uns heute bekannte äußere Burgtor wurde 1821 zur Erinnerung an die Völkerschlacht bei Leipzig begonnen und 1824 von Peter Nobile vollendet. Das Monument steht an der Stelle des 1660 als Festungsbau gegen die Türken errichteten "alten" Burgtors. Burgbastei und Löwelbastei waren 1683 die am heißesten umkämpften Abschnitte der Stadtumwallung. 1809 war das alte Burgtor von den napoleonischen Truppen gesprengt worden. Das neue Tor wurde von Soldaten ausschließlich "nach Römerweise" ausgeführt und ist mit großen dorischen Säulen verziert. Es trägt auf der zur Innenstadt gewandten Seite den Wahlspruch von Kaiser Franz I. "IUSTITIA REGNORUM FUNDAMENTUM", während auf der Ringseite bronzene Wappen der Kronländer angebracht sind - dazwischen immer wieder in Lorbeerkränzen das kleine österreichische Wappen von 1915. Dies geht auf eine Spendenaktion im Jahre 1916 zurück, als man für sechs Kronen seinen Namen in ein Lorbeerblatt einprägen lassen konnte. In diesem Jahr wurde auch der Spruch "LAURUM MILITIBUS LAURO DIGNIS" hinzugefügt. 

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Das Denkmal besitzt fünf Tore, deren mittleres früher fast immer geschlossen blieb, da es dem Kaiser persönlich vorbehalten war.1933/34 wurde das Äußere Burgtor durch Rudolf Wondracek, einem Schüler von Otto Wagner, zu einem Heldendenkmal für die Toten des Ersten Weltkrieges umgestaltet. Nach den Ergebnissen des 1933 veranstalteten Wettbewerbs hätte der Umbau eigentlich durch den Holzmeister-Mitarbeiter Max Fellerer gemeinsam mit Eugen Wörle und Fritz Wotruba erfolgen sollen, doch dürfte deren Entwurf zu unkonventionell gewesen sein (Wotruba hatte den "Toten Krieger" durch eine nackte Figur darstellen wollen).

à Barbara Feller,  Ein Ort patriotischen Gedenkens, in: Jan Tabor (Hg.), Kunst und Diktatur, Katalog zur Ausstellung im Wiener Künstlerhaus, Verlag Grasl, Baden, 1994, 142 ff. 

Wondracek errichtete oberhalb der Durchfahrt einen mächtigen Zentralraum, die nach oben offene Ehrenhalle, von welcher zwei Ehrenstiegen nach beiden Seiten des Platzes herabführen. Wondracek: "Die Helden des Weltkrieges sind unter freiem Himmel gefallen, sie sollen unter freiem Himmel geehrt werden." Die Ehrenhalle schmücken ein fast drei Meter hoher Doppeladler aus Stein und ein riesiger Lorbeerkranz aus Kupfer - beides von Wilhelm Frass. Dazu kommen Bildnisse des Hl. Michael und des Hl. Georg sowie 24 Gestalten aus drei Jahrhunderten österreichischen Soldatentums zwischen 1618 und 1918 - vom Musketier bis zum Kampfflieger. Dieser Bilderschmuck wurde mittels eines neuen Steinschnittverfahrens von den akademischen Malern Herbert Dimmel und Leopold Schmid ausgeführt. Beiderseits des Heldendenkmals wurde die den Heldenplatz ringseitig umgebende Mauer durch je ein Tor durchbrochen, das jeweils zwei große steinerne Adler ganz im Stil der Kunst des Nationalsozialismus bewachen. 

Den Gefallenen des Ersten Weltkrieges ist die Krypta geweiht - ein Sakralraum, in dem sich das Epitaph eines Kriegers aus rotem Marmor (ebenfalls von Wilhelm Frass) und ein einfacher Altar befinden. In der Krypta liegen zehn Ehrenbücher mit den Namen der österreichischen Soldaten auf, die im Ersten Weltkrieg ihr Leben lassen mussten. Nach dem Zweiten Weltkrieg kamen die nunmehr mit Maschine geschriebenen Listen der Toten dieses Krieges dazu. Die Seiten der Folianten werden täglich umgeblättert. Sonntags wird in der Krypta die Messe gefeiert - sonst ist der Raum nur am Nationalfeiertag zugänglich.

1965 beschloss die Bundesregierung, symmetrisch zur Krypta einen Weiheraum für die Opfer des österreichischen Freiheitskampfes einzurichten. Er enthält einen schwarzen Marmorblock, dessen Oberseite das Bundeswappen trägt. Auf seiner Vorderseite steht zu lesen: "IM GEDENKEN AN DIE OPFER IM KAMPFE FÜR ÖSTERREICHS FREIHEIT". In einer Vitrine in der Vorhalle werden Dokumente über die Wiedererrichtung der Republik Österreich aufbewahrt. Der Weiheraum wurde am 27. Mai 1965 seiner Bestimmung übergeben. Im Gegensatz zur Krypta bestehen die Fenster dieses Raumes aus Milchglas - man sieht von außen nichts, während man die Einrichtung der Krypta wenigstens in groben Umrissen wahrnehmen kann. Auf der Ringstraßenseite des Heldendenkmals stehen zwei Schalen für Opferflammen, die jährlich zu Allerseelen und anderen feierlichen Anlässen entzündet werden. 

Es wäre nicht Österreich und es ginge nicht um ein Staatssymbol, wenn sich mit dem Ehrenmal im Äußeren Burgtor nicht auch merkwürdige Geschichten verbänden. 

Die Initiative für das Heldendenkmal hatte im Ständestaat eine Arbeitsgemeinschaft aus dem gesamten konservativen und katholischen Lager ergriffen. Sie finanzierte das Denkmal durch Lotterien und Tombolas sowie mit Hilfe des hölzernen "Wehrmannes". Es ist dies eine zunächst am 5. März 1915 auf dem Schwarzenbergplatz aufgestellte, überlebensgroße Rittergestalt aus Lindenholz, in welche jedermann gegen eine Spende für die Kriegsopfer einen Nagel treiben durfte. Sie ist ein Werk des Wiener Bildhauers Josef Müllner (1879-1968), der 1916 das Lueger-Denkmal, 1921 den "Sieger" vor dem Theseustempel ("Der Kraft und Schönheit unserer Jugend" - siehe Bild) und ein Jahr später das bis in die Gegenwart immer wieder umstrittene "Heldendenkmal für die gefallenen Studierenden der Universität Wien in der Aula" schuf. 500.000 Nägel waren während des Ersten Weltkrieges in die große hölzerne Figur getrieben worden. Danach ebbte die Begeisterung für diese Aktion ab. So kam der hölzerne Ritter in ein Depot, woraus ihn aber Soldaten des Infanterieregiments „Alt Starhemberg Nr. 2" entführten und in ihr Regimentsmuseum brachten. 1934 wurde die Figur ans Tageslicht geholt, um nun - wieder am Schwarzenbergplatz - Geld für das Heldendenkmal zu sammeln. Der Erfolg war jedoch gering. Der genagelte Held wurde deshalb an seinen nunmehr endgültigen Platz unter den hohen Arkaden des Hauses gegenüber der Nordseite des Neuen Rathauses gestellt. Dort gibt die mächtige Gestalt auch heute noch dem uninformierten Betrachter Rätsel über ihre Entstehung auf. Liest man doch über dem unter dem Visier verborgenen Haupt den Spruch "Gut und Blut fürs Vaterland" und ebenso die Inschrift "Der Wehrmann Wiens gemahne an die Zeit, da unerschöpflich wie des Krieges Leid die Liebe war und die Barmherzigkeit" - ein Vers von Ottokar Kernstock.


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à Josef Dvorak, Von Krucken-, Haken- und anderen Kreuzen, in: FORVUM, März/April 1988, 22 ff., bezugnehmend auf Christine Klusacek: Der Wehrmann unter den Arkaden, "Wien aktuell", 15. Jänner 1987.

Das Heldendenkmal wurde dennoch fertiggestellt und im Rahmen einer zweitägigen patriotischen Feier am 9./10. September 1934 eröffnet. Auch Adolf Hitler erwies dem Denkmal die Ehre - er legte am 15. März 1938 vor dem "Toten Krieger" einen mit der Führerstandarte geschmückten großen Lorbeerkranz nieder. Einige Zeit später bekam die SA ihr eigenes Ehrenmal in der mittleren Durchfahrt des Burgtores - im ehemaligen "Kaisertor" (dieses Denkmal wurde 1945 entfernt). Auch Göring kam, die Gefallenen zu ehren - bei seinem Besuch erklang das Lied vom "Guten Kameraden" am 27. März 1938. Große Beachtung als Kriegerdenkmal fand das Burgtor in der Nazizeit jedoch nicht. Das NS-Regime hatte für den Fall des Endsiegs weit größere Pläne: Die von Reichsarchitekt Friedrich Tamms errichteten, bis heute das Wiener Stadtbild verunstaltenden Flaktürme sollten mit schwarzem Marmor verkleidet werden, in welchen man die Namen der Gefallenen eingravieren wollte. 

Die eigentliche Tragik des Heldendenkmals aber ist nicht seine äußere Indienstnahme durch die nationalsozialistischen Machthaber, sondern vielmehr seine sehr wahrscheinliche "innere Entweihung" durch den künstlerischen Schöpfer seiner Symbole. 

Der Bildhauer Wilhelm Frass, 1886 in St. Pölten geboren, war Mitglied der Sezession und Träger des großen österreichischen Staatspreises. Als Nachbar des von ihm sehr geschätzten, elf Jahre älteren Anton Hanak arbeitete und wohnte er in jenem von der Wiener Weltausstellung 1873 übriggebliebenen "Staatsatelier" in der Wiener Krieau, in dem heute Alfred Hrdlicka arbeitet - eine gewaltige Ironie des Schicksals, wie wir sogleich sehen werden. Wilhelm Frass hat neben zahlreichen  Arbeiten in seiner Heimatstadt St. Pölten  das Denkmal für Carl Auer von Welsbach, den Erfinder des Gasglühstrumpfs, der Osmium-Glühlampe und des als Zündstein verwendeten Cer-Eisens geschaffen. Es befindet sich vor dem Chemischen Institut Ecke Boltzmanngasse/Währinger Straße. Den über 2,70 m langen "toten Krieger", den Frass für die Krypta im Burgtor meißelte, bezeichnete der Künstler in der Gedenkschrift von 1934 als "Symbol des Urgedankens des Soldaten". Die Gebärde seiner linken Hand zeige, "dass er sein Herzblut für uns gegeben, die Rechte ruht bei dem Gewehr als Symbol der Waffen, mit denen der Soldat sein Heimatland verteidigt." 1938 stellte sich heraus, dass Frass illegaler Nationalsozialist war. Er wurde Mitarbeiter des SS-Mannes und Vizebürgermeisters Hanns Blaschke und Leiter der Kunst- und Modeschulen der Stadt Wien. Nach dem Krieg wird er als "minderbelastet" auf Betreiben des ebenfalls in der Nazi-Zeit hervorgetretenen Josef Hoffmann (1870-1956) wieder voll in das Wiener Kunstleben integriert. Wilhelm Frass starb 1968, ohne weitere größere Werke vollendet zu haben. Er erhielt ein Ehrengrab der Gemeinde Wien am Zentralfriedhof:

à Manfred Wieninger, Eine "hochverräterische" Inschrift, in: morgen, 4/2003 

Und nun kommt das schier Unglaubliche: Während bei der Einweihung am 9.9.1934 der aus 400 einzeln handgetriebenen Kupferblättern bestehende Lorbeerkranz und das 3 m hohe "kleine Reichswappen 1836" aus Lindabrunner Kalkstein bereits fertiggestellt waren, hatte Frass die aus 15 Tonnen roten Adneter (Salzburger) Marmors gehauene Kriegergestalt nicht rechtzeitig vollenden können. So lag bei der Einweihung nur ein Gipsabdruck des Recken in der Krypta. Der illegale Nationalsozialist Wilhelm Frass benützt nun einen unbewachten Augenblick, um bei der endgültigen Montage des marmornen Kriegers im Frühjahr 1935 eine Metallkapsel unter die Figur zu legen. In einem Brief vom 20. Dezember 1938 an den Kunsthistoriker Karl Hareiter schreibt Frass, dass er "diese Figur des toten Kriegers zum Gedenken an meine Gefallenen Kameraden gemacht habe und dass mit dem Tage, an dem wir Österreicher im Zeichen des Hackenkreuzes (Sonnenrades) mit allen Deutschen ein Volk bilden, die Gefallenen nicht umsonst ihr Leben gelassen haben." (Orthographie wie im Original!). Frass bat Hareiter, darüber in der Weihnachtsnummer 1938 des "Völkischen Beobachters" zu berichten, was auch geschah. In dem dort veröffentlichten Brief freut sich Pg. (= "Parteigenosse") Frass diebisch, dass die Würdenträger der "Systemzeit" (= Ständestaat), ohne es zu ahnen, vor einer Figur mit hochverräterischem Inhalt standen. An diesem Umstand hat sich bis heute nichts geändert, wenn auch des öfteren eine Untersuchung der Statue zur endgültigen Klärung des erwähnten, für die Problematik der österreichischen  Staatssymbole so typischen Sachverhalts angekündigt wurde. 

Der wahre Charakter des "Minderbelasteten" geht auch aus einer 1939 geschaffenen, männlichen(!) Allegorie der "Ostmark" hervor, zu deren Füßen der Parteiadler der NSDAP sitzt. Dieser blickte im Gegensatz zum "Reichsadler" der Wehrmacht und der Behörden des Dritten Reiches nicht nach (heraldisch) rechts sondern nach links, also nach Osten ("In den Ostwind hebt die Fahnen ...")


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Die Krypta ist alljährlich Schauplatz eines immer gleichen, insgesamt wenig einfallsreichen Rituals: Die Staatsspitze begibt sich am Morgen des Nationalfeiertags (26. Oktober) zum Heldendenkmal. Zwei Gardesoldaten legen in der Krypta einen Kranz nieder, dessen Schleife vom Bundespräsidenten oder vom Bundeskanzler ausgebreitet wird. Zu dem von der Militärmusik intonierten Lied "Ich hatt' einen Kameraden" verharrt man einige Minuten schweigend vor dem Epitaph. Damit ist die Zeremonie auch schon vorbei. Krieger und Nazimanifest liegen wieder ruhig unter der vom Dach des Denkmals wehenden rot-weiß-roten Flagge. Ein oranges Papiertäfelchen hinter dem Gitter des Eingangs zur Krypta gibt die Öffnungszeiten an: Dienstag-Freitag 08.00 Uhr – 11.30 Uhr und 12.30 Uhr – 16.00 Uhr Sonntag und Feiertag 10.00 Uhr Hl. Messe. 

 

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Wenige Meter neben dem äußeren Burgtor steht das Denkmal für die im Dienst getöteten Polizisten und Gendarmen. Es ist ein abstrakter, in Schwarz gehaltener Metallkörper, gestaltet durch Mag.art. Florian Schaumberger. Das Denkmal wurde nach zweijährigen Bemühungen des Kuratoriums Sicheres Österreich um die Errichtung einer würdigen Gedenkstätte für jene Angehörigen der Sicherheitsexekutive, die seit Wiedererrichtung Österreichs im Jahre 1945 in Ausübung ihrer Pflicht zu Tode gekommen waren, am 2. Mai 2002 am Heldenplatz in Wien aufgestellt. Es ist den "Opfern in Erfüllung der Pflicht - den im Dienst getöteten Polizisten und Gendarmen gewidmet."
 
Bundespräsident Thomas Klestil sagte bei der Enthüllung am 3. Juni 2002 unter anderem:

“354 Beamte haben seit 1945 in Ausübung ihres Dienstes ihr Leben verloren: Und sie sind für uns alle, für Österreich, gestorben. Ich meine daher, dass es an der Zeit war, für diese Beamten ein sichtbares Zeichen zu setzen – ein Ehrenmal, das Ihren Kameraden wie auch den Hinterbliebenen, Freunden und allen Menschen zeigt, dass Österreich sie nicht vergessen hat. Jeder Tod ist für sich gesehen eine Tragödie - Leid, das nicht messbar ist: Für Ehepartner, Kinder, Eltern, Freunde und Kameraden. Aber es ist auch sehr wichtig, sich über jeden Einzelnen dieser im Dienst ums Leben Gekommenen ein ganz konkretes Bild machen zu können – und damit die Erinnerung wach zu halten an all jene, für  die dieses Denkmal geschaffen wurde. Das wird mit dem in der Krypta des Burgtores installierten „Elektronischen Ehrenbuch“ allen Besucherinnen und Besuchern nunmehr möglich sein…“

 

Alle Namen jener Exekutivbeamten, die in Ausübung ihres Dienstes ihr Leben lassen mussten, findet man im diesbezüglichen Gedenkbuch.

Weitere Erklärungen zu diesem Denkmal: