Das Denkmal Kaiser Franz Josephs
I.
Schon lange vor der Informationsgesellschaft, in welcher die persönliche
Wirkung eines Politikers vor allem von seiner Ausstrahlung im Fernsehen abhängt,
suchten die Menschen sich an Persönlichkeiten zu orientieren. Immer wieder
konnten Monarchen oder Herrscherpersönlichkeiten zu Figuren mit großer
Ausstrahlung und Integrationskraft werden. Denken wir nur an Maria Theresia oder
an Napoleon Bonaparte. Gewählte oder sonst an die Macht gekommene Politikerpersönlichkeiten
von Viktor Adler bis Bruno Kreisky, von Karl Lueger bis Konrad Adenauer, von
Winston Churchill bis Charles De Gaulle haben ihr Zeitalter geprägt und ihre
Spuren in der Geschichte hinterlassen. Aber nur wenige Figuren in diesem
Jahrhundert haben es geschafft, sich wirklich tief in die Herzen der Menschen
einzugraben - im guten wie im schlechten Sinne.
Lässt man die Staatsmänner unserer Geschichtsperiode und unseres
geopolitischen Raumes Revue passieren, so bleiben unweigerlich drei Namen im Gedächtnis
haften: Kaiser Franz Joseph I. von Österreich, Benito Mussolini und Adolf
Hitler.
Über die beiden Führergestalten des Faschismus und des Nationalsozialismus und
über ihre bis in die Gegenwart reichende Wirkung wird an anderer Stelle dieser
Website gehandelt.
Hier soll kurz auf das Phänomen des "alten Kaisers" eingegangen
werden, der durch seine besondere Persönlichkeit vor allem gegen Ende seiner
68-jährigen Regierungszeit einen so starken Einfluss auf die Menschen seiner
Epoche ausgeübt hat, dass sein Bild in Österreich und über seine Grenzen
hinaus bis heute nicht nur nicht verblasst ist, sondern sogar zum
Kristallisationspunkt nostalgischer Rückschau geworden ist.
Ohne sich wirklich Verdienste über sein bloßes pflichtgetreues Da-Sein hinaus
erworben zu haben, stand Franz Joseph für Stabilität der Verhältnisse und
Korrektheit der Verwaltung. Das Bild des trotz schwerer Schicksalsschläge (von
Preußen geschlagen, von Ungarn bedrängt, der Bruder füsiliert, die Gattin
erstochen, der Sohn durch Selbstmord umgekommen, der Thronfolger ermordet, das
Land in einen Weltkrieg gestoßen) unbeugsam an seinen Prinzipien festhaltenden
Monarchen in Uniform zierte nicht nur hundert Tausende Amtsstuben und
Klassenzimmer der großen österreichisch-ungarischen Monarchie, sondern stand
auch auf den Kommoden der Bürgerzimmer und hing in den Herrgottswinkeln der
Bauernhäuser.
Die Wirkung des Kaisers auf seine Untertanen zwischen Bregenz und Czernowitz,
zwischen Prag und Triest hat niemand besser geschildert als Stefan Zweig
(1881-1942) in seiner "Welt von Gestern", wenn er anläßlich seiner
zufälligen Begegnung mit Kaiser Karl bei dessen Einreise in die Schweiz (23. 3.
1919) schreibt:
"Es war ein historischer Augenblick, den ich erlebte - und doppelt erschütternd
für einen, der in der Tradition des Kaiserreichs aufgewachsen war, der als
erstes Lied in der Schule das Kaiserlied gesungen, der später im militärischen
Dienst diesem Mann, der da in Zivilkleidung sinnend blickte ‚Gehorsam zu Land
zu Wasser und in der Luft' geschworen. Ich hatte unzählige Male den alten
Kaiser gesehen in der heute längst legendär gewordenen Pracht der großen
Festlichkeiten, ich hatte ihn gesehen, wie er von der großen Treppe in Schönbrunn,
umringt von seiner Familie und den blitzenden Uniformen der Generäle, die
Huldigung der achtzigtausend Wiener Schulkinder entgegennahm, die auf dem weiten
grünen Wiesenplan aufgestellt, mit ihren dünnen Stimmen in rührendem
Massenchor Haydns "Gott erhalte" sangen. Ich hatte ihn gesehen beim
Hofball, bei den Theâtre Paré-Vorstellungen in schimmernder Uniform und wieder
im grünen Steirerhut in Ischl zur Jagd fahrend, ich hatte ihn gesehen,
gebeugten Hauptes fromm in der Fronleichnamsprozession zur Stephanskirche
schreitend, - und an jenem nebligen, nassen Wintertag den Katafalk, da man
mitten im Kriege den greisen Mann in der Kapuzinergruft zur letzten Ruhe
bettete. "Der Kaiser", dieses Wort war für uns der Inbegriff aller
Macht, allen Reichtums gewesen, das Symbol von Österreichs Dauer, und man hatte
von Kind an gelernt, diese zwei Silben mit Ehrfurcht auszusprechen."
=> Stefan Zweig, Die Welt von gestern, Stockholm 1947,325 f
Es ist keine Frage, dass Franz Joseph I., durch Nicht-Reagieren regierend, viele
Zeichen der Zeit nicht zur Kenntnis genommen, den sozialen und politischen
Entwicklungsprozess Österreich-Ungarns gebremst und damit im Endeffekt den
verlustreichen Ersten Weltkrieg und den Untergang der Monarchie mitverschuldet
hat. Sein Wahlspruch "Viribus unitis" hatte zwar die Armee
zusammengehalten, bis sie unterging wie das große Schlachtschiff, das nach
diesem Wahlspruch hieß, doch auf die Völkerschaften und gesellschaftlichen Kräfte,
die die Monarchie trugen, wurde er in der Praxis nicht ausreichend angewandt.
Und dennoch blieben ihm die Liebe und Achtung seiner Völker bis zuletzt
erhalten. So ist Kaiser Franz Joseph von Österreich zum tragischen Symbol eines
Reiches geworden, das wie eine alte Eiche Jahr für Jahr grüne Blätter trug,
obwohl es im Inneren bereits zur Gänze morsch war, bis es im Sturmwind von
Krieg und Revolution auf immer auseinanderbrach.
Foto Kaiserbild und ev. Katafalk vor St. Stephan einfügen
Kaiser Franz Joseph I., Kaiser von Österreich und König von Ungarn, wurde am
18. August 1830 in Schönbrunn geboren und starb ebendort am 21. November 1916
nach 68-jähriger Regierungszeit. Unter seiner Herrschaft entwickelte sich Österreich
zum modernen Industriestaat mit allen damit verbundenen sozialen Problemen,
erfolgte der Ausgleich mit Ungarn, entstanden die politischen Parteien, wurde
das allgemeine Wahlrecht eingeführt und schließlich der Erste Weltkrieg ausgelöst.
Die "Reichs-Haupt- und Residenzstadt" Wien erhielt unter Franz Joseph
nach Schleifung der Befestigungsanlagen die Ringstraße mit ihren Prachtbauten.
Der Donaustrom wurde reguliert und die Verbindung mit den ehemaligen Vorstädten
hergestellt. Das franzisko-josephinische Zeitalter konnte durch den erworbenen
Wohlstand auch Kunst und Wissenschaft großzügig fördern.
Die Erinnerung an Kaiser Franz Joseph I. ist in Wien und in ganz Österreich
zwar an vielerlei Orten und durch vielerlei Namensgebungen präsent. Zu einem
wirklich monumentalen "Kaiser-Denkmal" ist es aber dennoch nicht
gekommen - das hängt wohl damit zusammen, dass vor allem die politischen Eliten
der Republik in der Schlussphase der Monarchie mehr Schatten als Licht sahen.
In der Zwischenkriegszeit gab es eine private Initiative für ein
Franz-Josephs-Denkmal. Sie führte auch zu einem Wettbewerb, dessen Ergebnisse
noch im Herbst 1937 im Wiener Künstlerhaus ausgestellt wurden. Der Ausbruch des
Zweiten Weltkriegs machte jedoch alle diesbezüglichen Bemühungen zunichte.
Die lebensgroße Bronzefigur des Kaisers, die der Wien-Besucher nur mühsam
hinter dem auffälligen Ringstraßen-Monument des Dichterfürsten Johann
Wolfgang von Goethe findet, geht auf eine Initiative des Gründers und ersten Präsidenten
der Industriellenvereinigung, Hans Lauda, zurück. Dieser ließ in den fünfziger
Jahren einen Abguss einer vor der Breitenseer General-Körner-Kaserne stehenden
Steinplastik (Original von Johannes Benk, 1904, erstes Denkmal für Franz
Joseph) machen. Während das so entstandene Metallstandbild, das den Kaiser in
Uniform mit Befehlshaber-Stab zeigt, am 18. August 1957 ("Kaisers
Geburtstag") im Burggarten enthüllt wurde, wurde das Original der Plastik
in Wiener Neustadt aufgestellt.
=> So Nemtschke Kugler a.a.O., 64
Der "Niederösterreichische Kulturführer Wr. Neustadt" von Gertrude
Gerhartl (Jugend & Volk, Wien, 1983, 41) sieht das ganz anders. Danach
erhielt Wiener Neustadt 1982 ebenfalls einen Bronzeabguss der Statue an Stelle
der im 2. Weltkrieg eingeschmolzenen Statute im Stadtpark. Daneben gibt es noch
das große Franz-Joseph-Denkmal im Park der Militärakademie aus dem Jahre 1912.
Habent sua fata monumenta...
So steht nun der alte Herr bescheiden zwischen kleinen Koniferen im Park jener
Hofburg, von welcher aus er einst ein 53-Millionen-Reich regierte.
An Franz Joseph I. erinnert auch eine plastische Gruppe im Mittelgiebel des
Parlaments von Edmund Hellmer, in welcher der Kaiser als Verfassungsgeber
inmitten seiner 17 Kronländer dargestellt ist.
Weitgehend unbekannt ist die imposante Figur Franz Josephs auf dem Nordturm des
Stephansdoms.
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