Erinnerungen an Sigmund Freud

Der vor der Votivkirche liegende, von ihr aber durch mehrere stark befahrene Fahrspuren getrennte Park heißt seit den achtziger Jahren "Sigmund-Freud-Park". Die Benennung geht auf die Bemühungen der Sigmund-Freud-Gesellschaft unter Univ. Doz. Dr. Harald Leupold-Löwenthal zurück und wurde von Bürgermeister Dr. Helmut Zilk unterstützt. Sehr auffällig ist diese späte Ehrung des Wiener Begründers der Psychoanalyse freilich nicht. Bis dahin gab es für den am 6. Mai 1856 im mährischen Freiberg geborenen und am 23. September 1939 in der Emigration in London verstorbenen weltbekannten Forscher, der 78 Jahre in Wien verbrachte, nur einige noch unauffälligere Gedenkzeichen. 

o 1953 wurde von der World Federation of Mental Health am Haus Wien 9., Berggasse 19 eine Gedenktafel für den "Schöpfer und Begründer der Psychoanalyse" angebracht. 1971 entstand dort das Sigmund-Freud-Museum. Es steht heute unter der Leitung von Frau Mag. Inge Scholz-Strasser. Unter den vielen in diesem Haus ausgestellten Erinnerungsstücken aus der Wiener Praxis Dr. Freuds fehlt die berühmte Couch - sie befindet sich im Londoner Freud-Museum. 

o  Im Arkadenhof der Wiener Universität steht seit 4. Februar 1955 eine Freud-Büste. An ihrem Sockel findet sich ein Vers aus "König Ödipus" von Sophokles: "Der das berühmte Rätsel löste und ein gar mächtiger Mann wurde" (im altgriechischen Original). Besonders attraktiv ist der Ort im Freud-Jahr nicht. Dafür schwer zu finden. 

 


o Am 6. Mai 1977 wurde nächst dem ehemaligen Schloss Bellevue an der Wiener Himmelstraße eine von Wilhelm Holzbauer geschaffene Stele enthüllt, die an den 24. Juli 1895 erinnert, den Tag, an dem sich an jenem Ort "dem Dr. Sigmund Freud das Geheimnis des Traumes enthüllte."
1895 hatte Freud den Sommer bei der Familie Ritter von Schlag in ihrem Schloss Bellevue auf der Anhöhe oberhalb Grinzings verbracht. In der Nacht vom 23. zum 24. Juli hatte er hier einen Traum, den er zum ersten Mal als Wunscherfüllung entschlüsseln konnte und der in seine "Traumdeutung" als "Traum von Irmas Injektion" einging. Das Schloss wurde abgerissen, ebenso ein danach errichtetes Ausflugsrestaurant. Das Zitat stammt aus einem Brief Freuds an seinen Berliner Freund und Kollegen Sanitätsrat Wilhelm Fließ, der als einer der Entdecker des Biorhythmus gilt.  Hier der volle Wortlaut: "Glaubst Du eigentlich, dass dereinst auf einer Marmortafel zu lesen sein wird: 'Hier enthüllte sich am 24. Juli 1895 dem Dr. Sigmund Freud das Geheimnis des Traums?"

o Zum 125. Geburtstag wurde Sigmund Freud 1981 eine 3-S-Briefmarke gewidmet. 1986 folgte das Freud-Porträt auf dem Fünfzig-Schilling-Schein.

o Am 6. Mai 1985 - 100 Jahre nach der Ernennung Freuds zum Privatdozenten - enthüllte Bürgermeister 
Dr. Helmut Zilk
(1927-2008) im neu benannten Sigmund-Freud-Park einen Gedenkstein. Unter den Buchstaben Psi und Alpha - von Freud als Abkürzung für "Psychoanalyse" verwendet - fand sich die folgende Inschrift: 

 "Die Stimme der
Vernunft ist leise". 

Dieses Freud-Zitat lautet aber im Original: 

"(...) die Stimme des Intellekts ist leise, aber sie ruht nicht, ehe sie sich Gehör geschafft hat. Am Ende, nach unzählig oft wiederholten Abweisungen, findet sie es doch. Dies ist einer der wenigen Punkte, in denen man für die Zukunft der Menschheit optimistisch sein darf (...)“ GW 1927c, XIV: 377.

Worauf die Modifikation des ursprünglichen Textes auf dem Gedenkstein zurückgeht, ist nicht mehr zu klären. Jedenfalls wurde in den 90er-Jahren des 20. Jahrhunderts die Inschrift auf dem Gedenkstein von "Die Stimme der Vernunft ist leise" auf "Die Stimme des Intellekts ist leise" korrigiert, wie man auf dem Foto oben sehen kann.

vgl.  Wolfgang J. Kraus/Alfred Stalzer/Ingrid Scholz-Strasser, Freud, Broschüre des Wiener Fremdenverkehrsverbandes, 1991, sowie Brief von Frau Scholz-Strasser an den Autor.