Die Kapuzinergruft
Der Bau einer kaiserlichen Gruft wurde 1618 von Kaiser Matthias angeordnet und
1622 begonnen. Die Gruft wurde 1710 von Lukas v. Hildebrand erweitert und 1753
eine zweite Grablege für das Haus
Habsburg-Lothringen errichtet. 1824 wurde festgestellt, dass sich die
Kapuzinergruft an der Stelle einer altrömischen Begräbnisstätte befindet.
Seit 1633 wurden die Habsburger Herrscher und ihre Angehörigen mit wenigen
Ausnahmen in dieser Gruft bestattet: 144 Leichname, darunter 12 Kaiser und 16
Kaiserinnen, ruhen unter der Kapuzinerkirche am Neuen Markt in Wien. Genauer
gesagt: ihre exenterierten Leiber, denn von den meisten Verstorbenen werden die
Herzen in Silberbechern im "Herzgrüftl" zu St. Augustin, Gehirn,
Augen und Eingeweide aber in Urnen in den Katakomben von St. Stephan aufbewahrt.
Dieses aus Spanien stammende Begräbniszeremoniell wurde im 17. Jh. eingeführt.
=> Vergleiche hiezu und zu diversen anderen, insbesondere nekrophilen
Eigenheiten Österreichs Gerhard Roth, Eine Reise in das Innere von
Wien, Frankfurt/Main, 1991, 22 und passim
=> Magdalena Hawlik-van de Water, Die Kapuzinergruft, Herder, Wien, 1987.
Zunächst sollten die Sarkophage in barocker Prunkentfaltung den Ruhm der
Herrscher perpetuieren: "MANET AETERNUM DIADEMA MONARCHIAE" steht auf
dem Sarg Leopolds I. zu lesen. Ab Joseph I., der in einem schlichten Sarg vor
dem Prunksarg seiner Eltern ruht, wird der Glanz der Kaisergruft blasser.
Dennoch übt die Begräbnisstätte der Habsburger bis auf den heutigen Tag eine
unglaubliche Anziehungskraft aus - wohl als "Symbol einer Herrschermacht,
die die eigene Vergänglichkeit mit Schönheit bekleidete "(M. Hawlik) und
"Saturnalien des Todes" (Hilde Spiel) abhielt.
Am berühmtesten ist die reiche Symbolik des Prunksarkophags von Karl VI.
(1685-1740). Das 1751 von B.F. Moll vollendete Kunstwerk wird von vier Löwen
getragen. Es zeigt an den Ecken die Wappenschilder des hl. römischen Reiches,
Kastiliens, Böhmens und Ungarns, die von je einem Totenkopf (häufigstes
Vanitas-Symbol) mit Krone überhöht werden.
Photos des Sarkophags und des berühmten Totenkopfes einfügen
Beinahe die ganze vordere Längsseite des Zinnsarkophags nimmt ein Reliefbild
der Schlacht von Saragossa (20. August 1717) ein, darunter der Doppeladler mit
der Rudolfskrone samt Szepter und Schwert. Oben auf dem Sarg hält eine
trauernde AUSTRIA (kenntlich am Bindenschild) zusammen mit einem Genius das
lorbeerbekränzte Medaillonbild des Kaisers über einer Weltkugel. Dieses
wiederum wird bekrönt von einem fünfzackigen Stern auf einer Wolke, umgeben
von der sich selbst verzehrenden Schlange, dem Symbol der Ewigkeit. Tritt das
bei uns seltene Sternensymbol rein zufällig gleichzeitig mir der
Freimaurer-Bewegung und dem Einsetzen der Aufklärung in Österreich auf?
Um den Reigen der österreichischen Symbole voll zu machen, liegen links auf
einem Polster Erzherzogshut, Szepter, Schwert und das goldene Vlies, rechts
Reichsapfel, Streitkolben und ein Manipel als Zeichen der Würde des römischen
Imperators.
Das Symbol der sich selbst verzehrenden Schlange mit dem Stern krönt auch den
Sarg der Gattin Karls VI., Elisabeth Christine, der Mutter Maria Theresias.
Dieser Sarkophag wird aber von vier Adlern getragen und seine Ecken laufen in
vier Genienköpfe mit verhülltem Antlitz wie am Grab der Hemma von Gurk aus.
Auch auf diesem Sarg ruhen vier Kronen: links die Rudolfskrone und die Krone
Spaniens, rechts die Wenzels- und die Reichskrone.
Der Doppelsarkophag von Franz Stephan von Lothringen und Maria Theresia wurde
schon 16 Jahre vor dem Tod der Kaiserin vom selben Künstler nach genauen
Anweisungen der Herrscherin angefertigt. Er zeigt das sich aufrichtende
Kaiserpaar - auferweckt durch den Schall der Posaune, die ein Genius mit der
Sternenkrone eben abgesetzt hat. Die linke Hand der Kaiserin umfasst ein
Schwert, Kaiser und Kaiserin ergreifen das Szepter. Der Sarg ist umgeben von
vier trauernden Genien, die folgende Wappen und Kronen halten:
Das kaiserliche Wappen und die Reichskrone,
das Wappen Ungarns und die Stephanskrone.
das Wappen Jerusalems mit einem dornengekrönten Helm,
das Wappen Böhmens und die Wenzelskrone.
An der Schmalseite zu Häupten finden sich Inschriften, bekrönt vom
Erzherzogshut Rudolfs IV., des Stifters, (Maria Theresia ließ ja den
Klosterneuburger Erzherzogshut von 1616 links liegen und griff auf den "ächten"
Erzherzogshut zurück!) und der lothringischen Krone.
Das Fußende des letzten barocken Repräsentationssarkophags ziert ein
Totenkopf, der mit der rudolphinischen Hauskrone geschmückt ist.
Vor dem Sarkophag von Vater und Mutter steht der Sarg des Sohnes - des
Reformkaisers Joseph II. - in zur Schau gestellter Askese: wie zum Protest gegen
die barocke Pracht der Eltern ein einfacher Kupfersarg, nur verziert mit einem
Kleeblattkreuz und eine Inschrift tragend. Spätere Särge trugen dann wieder
Kronen, während der Sarkophag Franz Josephs I., auf hohem weißem Marmorsockel
ruhend, völlig schmucklos ist - wohl als Symbol der Einsamkeit und Entrücktheit
des "alten Kaisers". Am Kopfende des Sockels findet sich ein Porträt
Franz Josephs - ein Werk von Heinrich Deutsch, dem Wiener Bildhauer, der das
sogenannte Staatsgründungsdenkmal schuf.
Die Schlüssel zu den Holzsärgen der Habsburger befinden sich in einem eigenen
Schrein in der Geistlichen Schatzkammer.
Die fortdauernde symbolische Bedeutung der habsburgischen Nekropole im Zentrum
von Wien wurde beim Begräbnis der letzten österreichischen Kaiserin Zita am
1.4.1998 wieder deutlich. Das laut M. Hawlik (a.a.O., 24) ohne schriftliche
Quellen legendenhaft überlieferte Zeremoniell der dreifachen Bitte um Einlass
wurde ausgiebig zelebriert und über das Fernsehen einer nekrophil-nostalgischen
österreichischen Öffentlichkeit bewusst gemacht.
Es ist das Verdienst von Magdalena Hawlik-van de Water, an die 80 verschiedene Symbole isoliert zu haben, die sich an den Sarkophagen der
Kapuzinergruft befinden (a.a.O., 272 ff). Es würde hier zu weit führen, sie zu
kommentieren. Sie bilden jedoch integrierende Bestandteile der "Pietas
Austriaca" und der besonders dem Wiener eigenen pseudo-barocken Begräbnis-
und Friedhofskultur.
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