Pestsäule (Der Heiligen Dreifaltigkeit gewidmete Gedenksäule)

Es scheint nicht recht einsichtig zu sein, warum die am Wiener Graben befindliche Pestsäule zu den Symbolen Österreichs gezählt werden soll, ist ihr vornehmlich religiöser Charakter doch sehr augenscheinlich. Dennoch rechtfertigt der vielschichtige Sinngehalt des Monuments eine kurze kunstgeschichtliche Betrachtung auch an dieser Stelle. 

Aufgrund eines Gelübdes, das Kaiser Leopold I. noch während der Pestepidemie 1679 abgelegt hatte, wurde der Heiligen Dreifaltigkeit, Schützerin gegen die Pest, zunächst eine Holzsäule errichtet, auf deren Sockel acht Engel standen.1682 erneuerte der Kaiser sein Versprechen und 1693 war das Werk vollendet: an die Stelle der hölzernen trat eine Säule aus weißem Untersberger Marmor, deren Entwurf von Matthias Rauchmiller stammte und an der auch Johann Bernhard Fischer von Erlach mitwirkte. Die Grundform ist ein Dreieck mit nach innen gebogenen Kanten und abgestumpften Ecken. Daraus entsteht eine Pyramide, die die eigentliche Säule trägt. Je zwei große Reliefs sind den drei Personen der Dreifaltigkeit gewidmet und zeigen neben biblischen Szenen das Wüten der Pest in Wien. Auf dem Pfeiler, der Gott Vater gewidmet ist, befindet sich das Wappen des römisch-deutschen Kaisertums, auf jenem, der dem Sohne zugehört, das Wappen Ungarns mit den Ländern der hl. Stephanskrone. Schließlich trägt der Pfeiler des Heiligen Geistes die Wappen der Länder der Wenzelskrone. 

Dreifaltigkeit und "dreigestaltige" irdische Herrschaft der Habsburger werden hier also in jener für das barocke Österreich so typischen Weise verwoben. Nach der Niederringung der Türken wurde ja Josef, der Sohn Leopolds I., zum ersten erblichen König von Ungarn aus dem Stamme Habsburg gewählt. An die Stammlande des Habsburgerreiches erinnern weiters die Wappen von Österreich unter und ober der Enns an der Westseite der Pyramide. Bemerkenswert sind schließlich die Proportionen der Plastiken: die dem Auge des Betrachters näheren Reliefs sind zarter, die weiter oben stehenden Figuren sind wuchtiger ausgeführt. 

Das ikonographische Programm der Pestsäule mit dem Hauptmotiv der Dreieinigkeit und dem knienden Kaiser, dessen Insignien - als von Gott gegeben - von Engeln getragen werden, ist Ausdruck der "Pietas Austriaca", jener besonderen "Staatsfrömmigkeit" der österreichischen Herrscher, die immer auch politische Aspekte enthielt: 

Die als Strafe für ein sündiges Leben empfundene Pest wird mit Hilfe der Dreifaltigkeit, in welcher Gott Richter und Erlöser zugleich ist, überwunden. Gleichzeitig signalisiert die Betonung der Dreieinigkeit jedoch den Unterschied zum nicht-trinitarischen Glauben des niedergerungenen Islams und stellt so auch eine Warnung an im Rahmen der Reformation mancherorts aufgekommene anti-trinitarische Sekten dar. 

=>  Anna Coreth, Pietas Austriaca, Verlag für Geschichte und Politik, Wien, 1959, 15 f.