Das Befreiungsdenkmal ("Russendenkmal")
Offiziell findet man verschiedene Bezeichnungen: (Russisches) Befreiungsdenkmal,
Russisches Heldendenkmal und Denkmal der Roten Armee. Die Wiener nennen das hoch aufragende Monument am südlichen Ende des Schwarzenbergplatzes meist abschätzig
"Russendenkmal".
Das Denkmal das an die 18.000 (!) bei der Befreiung von Wien gefallenen Soldaten
der Roten Armee erinnert, wurde von Major Jakowiew entworfen; die Skulpturen
schuf Leutnant Intazarin. Die Gesamtleitung des schon im April 1945 angeordneten
und als erstes Bauwerk nach Kriegsende vollendeten
Denkmalbaus hatte Major Ing. Michail Scheinfeld. Am Bau wirkten zeitweise 400
Arbeiter mit, 18 Tonnen Bronze und 300 Kubikmeter Marmor wurden verwendet. Das Denkmal wurde am 19. August 1945 unter Mitwirkung von Karl Renner, Leopold Figl und Theodor Körner am damals so
bezeichneten Stalin-Platz enthüllt.
Auf einem insgesamt 20 m hohen, marmorverkleideten Sockel, im unteren Teil in
Form eines fünfzackigen roten Sterns, verziert durch Fahnen und Gardeabzeichen,
steht die 12 m hohe Figur eines Rotarmisten. Der Soldat trägt einen vergoldeten
Helm und die bekannte russische Maschinenpistole mit Rundmagazin. Mit der Linken
umfasst er die Fahne, mit der Rechten hält er einen runden goldenen Schild mit
dem Sowjetwappen. Im Hintergrund erhebt sich eine breite, acht Meter hohe
Balustrade, an deren Enden sich je eine Gruppe von zwei kämpfenden Männern
befindet - ein Paradebeispiel für die Stilrichtung des Sozialistischen
Realismus, der allmählich zur kunstgeschichtlichen Rarität wird.
Eine der Inschriften in russischer Sprache wurde erst Anfang der 80er Jahre ins Deutsche übersetzt und lautet:
"Ewiger Ruhm den Helden der Roten Armee, gefallen im Kampf gegen die
deutsch-faschistischen Landräuber für die Freiheit und Unabhängigkeit der Völker
Europas (Michalkow)".
Bis zum Jahr 1956 befanden sich auch Gräber von Sowjetsoldaten in der Nähe, und ein Sowjetpanzer stand vor dem Denkmal.
Das Denkmal befindet sich in der Obhut der Gemeinde Wien. Österreich ist
bekanntlich nach den detaillierten Bestimmungen des Artikels 19 des
Staatsvertrags vom 15. Mai 1955 verpflichtet, Kriegsgräber und Kriegsdenkmäler
der Alliierten Mächte auf österreichischem Boden "zu achten, zu schützen
und zu erhalten".
Zwischen 1945 und 1956 stand vor dem Brunnen auf dem damaligen
"Stalinplatz" ein russischer Panzer, der sich jetzt im
Heeresgeschichtlichen Museum befindet. => Marschik/Spitaler, Das Wiener Russendenkmal, Architektur, Geschichte, Konflikte, Wien, 2005
=> Hannes
Leidinger/Verena Moritz, Russisches Wien, Böhlau, Wien, 2004, 182 f.
Manchmal führt die Erinnerung an die schlechten Erfahrungen, die die Österreicher
mit den Besatzungssoldaten - insbesondere mit den sowjetischen - in den zehn
Jahren der alliierten Besetzung gemacht haben, zum offenen Ressentiment gegen
Mahnmale wie das "Russendenkmal". Dennoch - je größer der Abstand
zur Kriegs- und Nachkriegszeit wird, umso mehr müsste man sich doch eigentlich
darüber Rechenschaft geben, wie viel unschuldiges Blut gerade die Völker der
ehemaligen Sowjetunion im Kampf gegen die Hitlerherrschaft geopfert haben, und
wie wenig das österreichische Volk zu seiner eigenen Befreiung beigetragen hat.
Solche Gedanken müssen einem in den Sinn kommen, wenn man sich etwas Zeit
nimmt, die kyrillischen Goldbuchstaben an einem "Russendenkmal" zu
entziffern - egal ob an jenem am Wiener Schwarzenbergplatz oder irgendwo draußen
in den weiten Gefilden Niederösterreichs, wo bis hinauf ins Waldviertel noch
kleine sowjetische Soldatenfriedhöfe bestehen.
Eine Umfrage des Gallup-Instituts, veröffentlicht im "Standard" am
11. Februar 1992, weist nach, dass das Denkmal 71% der Wiener bekannt ist. Eine
deutliche Mehrheit (59%) ist für die Erhaltung des Denkmals. Nur 9% der 1.000
Befragten stimmten der Meinung zu, das Denkmal solle als Überrest des
Stalinismus beseitigt werden. Haben die Österreicher also doch ihren Frieden
mit der Zeitgeschichte geschlossen?
Hochstrahlbrunnen
Vor dem Befreiungsdenkmal erhebt sich der anlässlich der Vollendung der Ersten
Wiener Hochquellenwasserleitung am 24. Oktober 1873 in Anwesenheit des Kaisers
in Betrieb gesetzten Hochstrahlbrunnen, der nach den ursprünglichen Plänen vor
der Votivkirche, dann vor den Neuen Rathaus hätte stehen sollen. Der Erbauer
der Wasserleitung und des Brunnens, Anton Gabrielli, war ein Freund der
Astronomie. Dem gemäß symbolisiert die jeweilige Zahl der Wasserstrahlen die
Tage des Jahres, die Monate, die Monatstage, die Wochentage und die Stunden des
Tages.
Stalin-Relief
Wien hat wahrscheinlich europaweit das einzige Denkmal Stalins, das alle Zeiten
und Systeme überdauert hat und überdauern wird: am Haus Schönbrunner
Schlossstraße 30 in Wien-Meidling wurde am 21. Dezember 1949 ein Relief mit dem Kopf
Josif
Wissarionowitsch Stalins (1879-1953) enthüllt, der 1913 im Auftrag Lenins in diesem Hause
sechs Wochen lang mit Studien zur
nationalen Frage beschäftigt war. Die Initiative zu dieser Gedenktafel war von
der KPÖ ausgegangen. Der damalige Wiener Bürgermeister Theodor Körner fand
bei der Feier folgende Worte: "Wenn die Kommunistische Partei an mich das
Ersuchen gestellt hat, diese Tafel in die Obhut der Stadt Wien zu nehmen, dann
danke ich ihr für das Vertrauen, das sie in die demokratische Stadtverwaltung
gesetzt hat. Stalin wurde als Sohn eines einfachen Schuhmachers geboren und
steht heute an der Spitze eines Sechstels der Erde. Wir anerkennen die
historische Person Stalins."
=> Hannes Leidinger/Verena
Moritz, op.cit, 183 f.
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